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Angst
Angst als Folge der Trennung
Die Selbstidentifikation mit dem Körper (als Ursache der Ich-Vorstellung) bewirkt eine Trennung von der Einheit. Damit ist die Voraussetzung für das Auftreten von Angst geschaffen. Das Ich fühlt sich von allem, was im „Außen“ als fremd empfunden wird, bedroht.
Dazu gehört auch der sich von selbst vollziehende Ablauf des Geschehens. Der Verstand versucht, dieses Geschehens Herr zu werden, was ihm aber nie gelingt. Es passieren andere Dinge als erwartet oder erhofft. Je mehr der Verstand sich darüber klar wird, daß er keine Kontrolle hat, desto mehr baut sich eine instinktive Spannung aus, die sich im gesamten Körper ausbreitet.
Angst als Energie
Zum richtigen Verständnis von Angst ist es wichtig, jegliche Erscheinungsform von Angst nicht abzulehnen, negativ zu werten oder zu unterdrücken. Denn Angst ist nichts anderes als Ausdruck von Lebenskraft: eine von vielen möglichen Arten des Ausdrucks. Angst abzuspalten und wegschieben zu wollen verstärkt sie; man hat es dann mit einer scheinbar feindseligen, bedrohlichen Macht zu tun. Es entstehen Empfindungen von Peinlichkeit, Scham, Schwäche und tiefster Verunsicherung.
Wird Angst als reine Energie verstanden und zugelassen, dann wirkt sie auf die Persönlichkeit als Öffner. Im selben Moment geschieht die Erfahrung und Einsicht, daß die Persönlichkeit nur wie ein auf dem Meer schwimmendes kleines Gebilde ist, das dem Meer gegenüber nichts ausrichten kann, sich aber dennoch ständig dagegen zu behaupten versucht und an seiner eigenen Illusion von Kontrolle und „Sicherheit“ festhält.
Folgewirkungen unterdrückter Angst
Blockierte Angst kann zu Gemütskrankheiten (Depressionen und anderen psychischen Störungen) führen; eine andere, in angst-dominierten Gesellschaften häufige Auswirkung der Blockierung ist Aggression, die sich in Haß, Zerstörungslust und Gewalttätigkeiten äußert. Damit zumeist in direkter Verbindung steht in derartigen Gesellschaften auch die Unterdrückung der Sexualität.
Vermeidung
Das Beispiel Sexualität verweist auch darauf, daß es feine und subtile Schattierungen von Angst gibt, die schnell zu Vermeidungen führen. Die Natur solcher Vermeidungen besteht nun gerade darin, daß sie nach kurzer Zeit unbewußt werden, d.h. der Betreffende grenzt sich in einer Situation ein, nur um in weiteren darauffolgenden Situationen gar nicht mehr zu merken, daß er das tut. Somit verengt er seine Lebensmöglichkeiten auf den Bereich eines eigenen unsichtbaren Käfigs, den er nur noch ganz selten und unter großen inneren Konflikten durchbrechen kann oder womöglich lebenslang nie mehr verläßt. Die Entstehungslogik dieses Käfigs korrespondiert exakt zur Entstehungslogik des persönliches Egos.
Es reicht also nicht, „mutig“ sein zu wollen. Die üblichen Form von Mut (als Bemühung zur Selbstüberwindung bzw. als Niederringung von Zweifeln) stammen aus dem wunschhaften Ego und dessen ambitionierten Antrieben (ein „Held“ sein zu wollen, sich etwas beweisen zu wollen, anderen imponieren wollen), stellen also ebenfalls Vermeidungen dar.
Die Verwechslung von Angst und Angst-Auslöser, der dann als Ursache der Angst betrachtet wird, ist ein typisches Kennzeichen von Vermeidung. Es gibt Menschen, die einen regelrechten Kult um derartige Auslöser veranstalten (siehe „Phobien“ wie Spinnenphobie etc.), da angeblich nur sie für die Angst verantwortlich sind, und wenn man mit ihnen nicht mehr zu tun hätte, könnte man der Angst entgehen. Derartige Verhaltensweisen stehen oft im Zusammenhang mit Charakterpanzerung.
Körpermitte und Peripherie
Beobachtet man, wie sich Angst im Körper ausdrückt, so findet man schnell heraus, daß sie sich als Spannung im Solarplexus manifestiert (analog zum Hauptsitz der Lebenskraft am selben Ort). Meidet das Bewußtsein aber den Kontakt zu dieser Stelle, so wandert die Spannung zumeist in den Nacken und in die Waden, bei erotischen Blockierungen auch in den Bereich des unteren Rücken. Hals und Nacken sowie Schultern verspannen sich, wenn versucht wird, der Angst mittels rationaler Kontrolle Herr zu werden. Es werden mentale Konzepte generiert oder geistige Erklärungsmodelle (Ideologien) übernommen, die dem Unbehagen Einhalt gebieten sollen.
Ohne Rückfluß der Energie in die Körpermitte kann die Angst jedoch nicht konfrontiert werden.
Transformation der Angst
Wird der Vorgang des Sich-Öffnens zugelassen, so beginnt die Energie der Angst in Bewegung zu kommen und bewirkt heilsame Veränderungen. Fast immer wandelt sie sich dann in pure Freude oder auch in Dankbarkeit um. Dies alles ist stets ein nicht-intellektueller, vom Verstand weder faßbarer noch steuerbarer Vorgang, der jegliche rationale Kontrolle aushebelt. Das wiederum bedeutet: Angst zuzulassen ist tatsächlich und im tiefsten Wortsinn ein Zulassen, kein Tun oder Wollen oder Machen, sondern ein Loslassen und Sich-Hingeben. Hierzu ist Vertrauen nötig, und dieses Vertrauen stellt sich wiederum nur ein, wenn die alltagsüblichen Denkweisen und Prägungen hinreichend durchschaut und bewußt verabschiedet worden sind.
Ob sich die entstandene Angstenergie durch Handeln oder Nichthandeln löst, wird durch die freigesetzte Energie selbst entschieden und ist jeweils ein völlig spontanes Geschehen.
Weblinks
- Charakterpanzer, Körperpanzer und Orgasmusangst (Seite nur noch im Webarchiv auffindbar)
— Gerd-Lothar Reschke 2018 (kopiert aus NR-Wiki